Es war Ende der siebziger Jahre, als man in Deutschland schwer aufs Maul bekam, wenn man Verständnis für die damaligen Terroristen der Rote-Armee-Fraktion bekundete. Also etwa sagte: "Ich billige ihr Morden nicht, aber Tatsache ist halt, dass bei uns in Politik und Wirtschaft immer noch alte Nazis und Nazi-Verbrecher das Sagen haben. Und dass darüber manche sehr wütend sind und sich radikalisiert haben, kann ich irgendwie verstehen." Uiuiuiuiuiui, da war aber was los, wenn du sowas sagtest! Und so brachte der Zeichner Gerhard Seyfried, seither eine Legende, mit Karikaturen wie unten die Stimmungslage auf den Punkt. (Geklaut aus dem herrlichen Bändchen "Wie soll das alles enden - Kleine Geschichte der undogmatischen Linken", Rotbuch-Verlag Berlin.)

Heute ist es die Corona-Sache. Nicht nur erntest du einen Schittsturm, wenn du Dissident bist & eine kritische Meinung äußerst - zum Beispiel, dass wir es als Gesellschaft übertreiben und auch noch inkompetent vermasseln. Du darfst nicht einmal sagen, dass überhaupt jede Diskussion darüber massiv unerwünscht ist. Nicht nur darfst du nicht behaupten, Ungeimpfte würden ausgegrenzt; du darfst auch nicht mehr darüber sprechen, ob an der Behauptung was dran ist. Über gewisse Dinge solltest du nicht mehr reden, und du solltest auch nicht darüber reden, dass du darüber nicht reden darfst.

Toll. Mit anderen Worten: Wir haben nicht nur lebenswichtige Diskussionen geächtet & tabuisiert, wir haben es auch tabuisiert, darüber zu reden! Dieses Tabuisieren ist allerdings gleichzeitig auch Verblödung. Eine Gesellschaft, von der ein Teil den Dissens eines anderen Teils nicht mehr erträgt, er sei so berechtigt oder unberechtigt wie er wolle, ist auf dem Weg ins Totalitäre, in den Faschismus. Und wer diesen Vergleich verbietet, weil "man das ja nicht vergleichen kann" (angeblich); diesen Vergleich, den wir als gebrannte Kinder des Nazismus unbedingt ziehen müssen, weil wir sonst genau wieder dieselben Fehler machen wie vor 90 Jahren - der will uns mit der Behauptung, bei uns herrsche Redefreiheit, die Redefreiheit nehmen. Der will uns mit mit der apodiktischen Feststellung, bei uns dürfe man alles sagen, zum Schweigen bringen. Der will uns Kritik verbieten mit dem Hinweis, bei uns dürfe "man" doch kritisieren. Der zensiert die Behauptung, bei uns würde zensiert. So wie Gerhard Seyfried es unnachahmlich karikiert hat.

Ich hätte mal einen Vorschlag an diese seltsamen "Demokraten". Besinnt euch doch mal zurück auf die demokratische Urtugend, den/die Andersdenkende(n) auszuhalten. Ihn/Sie vielleicht sogar ernstzunehmen. Euch klarzumachen, dass jede Opposition, und sei sie noch so lästig, überlebenswichtig ist, weil sie Euch vielleicht vor fatalen Fehlern bewahrt. Und wenn ihr meint, ihr haltet das nicht aus, dann wandert doch bitte aus & gründet eine Kolonie, in der alle auf derselben Wellenlänge schwimmen. Das gab's schon oft. Wir werden Euer Schicksal mit Anteilnahme begleiten.karikatur zensur 1